Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Wohnimmobilienkreditrichtlinie

Das müssen Immobilienkäufer wissen

Sie gilt seit 21. März 2016 und dürfte in Zukunft gravierende Auswirkungen auf die Vergabe von Baufinanzierungen haben: Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde vor rund zwei Jahren von der Europäischen Union (EU) verabschiedet und sollte eigentlich dem verstärkten Verbraucherschutz dienen. Rund sechs Monate nach dem Inkrafttreten der Richtlinie in Deutschland gehen Immobilienexperten allerdings davon aus, dass die Vergabe von Baukrediten in Zukunft deutlich erschwert wird. Das liegt daran, dass die Banken die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden schärfer prüfen müssen. Im Fokus stehen dabei einerseits das Lebensalter des Kreditnehmers und andererseits das eingebrachte Eigenkapital. Vor allem ältere Immobilienkäufer und Darlehensnehmer mit wenig Eigenkapital könnten bei der Vergabe von Baukrediten zukünftig stark benachteiligt sein. [1]

Was beinhaltet die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie?

Für Immobilienkäufer sind vor allem zwei Vorgaben aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie von Bedeutung. Zum einen ist das Alter des Darlehensnehmers bei der Vergabe von Immobilienkrediten von größerer Wichtigkeit als bisher. Zum anderen verlangen die Banken eine höhere Summe an Eigenkapital. Beide Vorschriften führen nach Expertenmeinungen dazu, dass die Kreditvergabe an ältere Immobilienkäufer und an finanzschwache Darlehensnehmer sehr erschwert wird.
Zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme darf der Käufer noch nicht zu alt sein und auch keine exorbitant hohe Darlehenssumme aufnehmen. Nach der neuen Richtlinie müssen die statistische Lebenserwartung des Kunden und die aufgenommene Finanzierungssumme in einem harmonischen Verhältnis zueinanderstehen. Das heißt, dass der Darlehensnehmer nach statistischen Berechnungen noch dazu in der Lage sein muss, die Finanzierung zu Lebzeiten voll zurückzuzahlen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes liegt heute bei 78 Jahren. Berücksichtigt man die neue Richtlinie, wird es ein männlicher Kreditnehmer nun schwer haben, eine hohe Finanzierungssumme aufzunehmen, wenn er Ende 40 ist. Beginnt er in diesem Alter mit einer durchschnittlichen Tilgungsleistung von einem Prozent pro Jahr, wird er rund 80 Jahre alt sein, bis seine Finanzierung ohne Sondertilgungen vollständig abgezahlt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der Kreditnehmer bereits seit vielen Jahren im Rentenalter. Die Bank prüft in diesem Zusammenhang auch, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kreditnehmer dieses Alter erreicht und ob er eine Ratenzahlung zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch sicher leisten kann. Bei dieser Prüfung legt sie strengere Maßstäbe an als bisher. Vor Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie war bei der Kreditprüfung nur nachvollziehbar zu belegen, ob die Darlehensrate innerhalb der ersten Sollzinsbindungsphase tragbar war.

Wer bisher eine Baufinanzierung abschließen wollte, musste einschließlich der Kaufnebenkosten im Durchschnitt eigene Mittel in Höhe von 20 bis 30 Prozent der Finanzierungssumme aufbringen. Durch die aktuelle Niedrigzinsphase haben viele Banken sogar Vollfinanzierungen akzeptiert, bei denen der Käufer nur die Kaufnebenkosten als Eigenkapital gezahlt hat, während der Kaufpreis in voller Höhe finanziert war. Durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie dürfte sich die lockere Vergabe von solchen Finanzierungen deutlich einschränken. Immobilienkäufer müssen nun damit rechnen, erheblich mehr Eigenkapital in ihre Finanzierung einzubringen, um überhaupt noch einen Kredit zu erhalten. Gleichzeitig darf dem Wert der Immobilie nicht mehr das enorme Gewicht beigemessen werden wie bisher. Gerade für einkommensschwache Käufer war es leichter möglich, einen Kredit zu erhalten, wenn die Immobilie sehr werthaltig war. Obwohl das Objekt als Sicherheit für die Finanzierung herangezogen wird, dürfen weder der Verkehrswert noch der Beleihungswert als ausschlaggebender Faktor für die Vergabe des Kredits herangezogen werden. Damit wird die Möglichkeit der Kreditbewilligung für bonitätsschwache Darlehensnehmer erheblich eingeschränkt. [2]

Welchen Zweck verfolgt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie?

Die Richtlinie entstand aus einer Vorgabe der EU aus dem Jahr 2014. Sie sollte dazu dienen, den Schutz des Verbrauchers bei der Aufnahme von Wohnkrediten deutlich zu verbessern. Dabei zielte man darauf ab, allen Verbrauchern in den einzelnen EU-Mitgliedsländern einen optimierten Schutz zu bieten. Letztlich hat es rund zwei Jahre gedauert, bis die Richtlinie in Deutschland in nationales Gesetz umgewandelt werden konnte. Diese Zeitspanne ist nicht unüblich, denn bis eine Vorgabe der Europäischen Union in den einzelnen Mitgliedsländern in nationales Gesetz umgesetzt ist und bis alle Instanzen der Gesetzgebung durchlaufen sind, gehen einige Monate ins Land. In der Praxis resultiert der verstärkte Verbraucherschutz in einer umfassenderen Beratungspflicht der Banken. Sie sind vor der Vergabe eines Darlehens gehalten, die Kreditwürdigkeit ihres Kunden noch umfassender und nach vorgegebenen Standards zu prüfen, als dies bisher der Fall war. Kommen sie ihrer Beratungspflicht nicht in vollem Umfang nach, ergibt sich daraus ein Haftungsanspruch des Kunden. Eine Bank kann also von ihrem Darlehensnehmer in die Haftung genommen werden, wenn sie ihrer Beratungspflicht nicht vollumfänglich entspricht. Um sich davor zu schützen, legen die Kreditgeber zukünftig noch höhere Maßstäbe an, bevor sie einem Darlehensgesuch nachgeben.

Ihren Ausgangspunkt hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie letztlich in der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009. Eine Ursache dieser Finanzkrise war die zu diesem Zeitpunkt übliche lockere Vergabe von Immobilienkrediten. Einerseits wurden Darlehen an Immobilienkäufer vergeben, die nicht die Finanzkraft besaßen, um hohe Kreditsummen über viele Jahre zuverlässig zurückzuzahlen. Andererseits wurde der Immobilienwert häufig als ausschlaggebendes Kriterium für die Kreditbewilligung angenommen. In der Folge wurden Kredite für Immobilien an bonitätsschwache Verbraucher vergeben, die dadurch in die Überschuldung stürzten und ihrer Zahlungsverpflichtung auf Dauer nicht nachkommen konnten. Das häufig zitierte Platzen der Immobilienblase brachte viele Banken in wirtschaftliche Schwierigkeiten und war ein Auslöser der Finanzkrise. Eine Entwicklung in dieser Form wollte man mit einer EU-weiten standardisierten Vergabe von Immobilienkrediten zukünftig weitgehend verhindern. [3]

Was ändert sich durch die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie?

Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers unter Berücksichtigung seines Alters und seines zukünftigen Einkommens hat auf die Vergabe von Darlehen ebenso große Auswirkungen wie die Forderung nach einem höheren Eigenkapitalanteil. Beide Vorgaben dürften in einer reduzierten Vergabe von Immobilienkrediten resultieren. Der Ansatz, den Immobilienwert nicht mehr in gewohntem Maß als Sicherheit für eine Finanzierung heranzuziehen, verschärft diesen Trend noch. Obwohl diese Vorschriften von größter Bedeutung für die Vergabe von Immobiliendarlehen sind, hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie weitere Auswirkungen auf die Vergabe von Baufinanzierungen. Diese sollten potenzielle Immobilienkäufer kennen und einordnen können. Auf die Bauzinsen hat die Wohnimmobilienkreditrichtlinie bislang keine erkennbaren Auswirkungen. Das zeigt auch ein Blick auf die aktuellen Bauzinsen verschiedener Banken und Vermittler

In Zukunft erlischt das Widerrufsrecht der Banken zu ihrem Schutz auch dann, wenn eine fehlerhafte Belehrung im Vertrag enthalten ist. Das Widerrufsrecht greift 12 Monate und 14 Tage nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Diese Phase gilt unabhängig davon, ob der Verbraucher von der Bank fehlerhaft belehrt wurde. Die Grundlage für diese Vorschrift ist der Paragraph 356 b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Durch diese Vorgabe verhindert der Gesetzgeber ein unbefristetes Widerrufsrecht und schafft Rechtssicherheit für die Banken. Für den Verbraucher ist diese Vorschrift nachteilig. Für alte Baufinanzierungen, die in der Zeit vom 01. August 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden, ist das Widerrufsrecht zum 21. Juni 2016 erloschen. Auch diese Regelung wirkt sich für den Verbraucher ungünstig aus, denn er hat nun keine Chance mehr, eine aus dieser Zeit entstandene Baufinanzierung rückgängig zu machen, wenn die Widerrufsbelehrung unvollständig war.

Beim Abschluss einer Immobilienfinanzierung erhält der Kunde in Zukunft ein Europäisches Merkblatt (ESIS) als vorvertragliche Information. Das Merkblatt enthält standardisierte Angaben, allerdings war es auch bisher schon Teil von Baufinanzierungen. Somit ergibt sich für den Verbraucher keine nennenswerte Verbesserung aus der erweiterten Informationspflicht der Banken.

Sofern der Verbraucher seine Immobilienfinanzierung in einer Fremdwährung aufnimmt, muss er in Zukunft ausführlich über potenzielle Währungsschwankungen informiert werden. Dabei ist der Wechselkurs zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zugrunde zu legen. Wenn der Wert der Restschuld oder die Höhe der Raten um 20 Prozent steigen, hat der Anbieter den Darlehensnehmer darüber in Kenntnis zu setzen. In diesem Fall darf die Finanzierung nach dem Paragraphen 503 des BGB auf die eigene Währung umgestellt werden. So sollen Kreditnehmer die Chance erhalten, eine Fremdwährungsfinanzierung aufzugeben, bevor sie unkalkulierbare finanzielle Verluste mit sich bringt.

Ein Vermittler von Immobiliendarlehen muss in Zukunft seine Sachkunde nachweisen, wenn er mit der Vermittlung von Finanzierungen beginnt. Die Vorschrift aus dem Paragraphen 34 i der Gewerbeordnung dient dem Schutz der Kunden, denn die Qualität einer Beratung hängt maßgeblich von der Ausbildung und der Kompetenz des Vermittlers ab. Die Regelung gilt nicht für erfahrene Berater, die bereits seit vielen Jahren im Geschäft sind und über die nötige Erfahrung in der Praxis verfügen. Mit dieser sogenannten „Alte-Hasen-Regelung“ folgt man den Vorgaben der EU-Vermittlerrichtlinien für Versicherungs- und Kapitalanlagevermittler, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben.

Sehr interessant könnte die den Verbraucher der Widerruf von Nullprozentfinanzierungen werden. Zwar ist eine Nullprozentfinanzierung eher für Konsumkredite zu finden und bei Baufinanzierungen nicht üblich. Dennoch gilt nun nach dem Paragraphen 356 d des BGB eine Frist von 14 Tagen, in denen der Verbraucher überlegen darf, ob er den Kredit tatsächlich benötigt. Im Ergebnis muss der Käufer keine Kreditrate mehr zahlen, wenn er vom Kauf zurücktritt. Dieser Punkt ist für den Kreditnehmer eine deutliche Verbesserung.

Von großer Bedeutung für den Verbraucher dürfte auch die Beratungspflicht der Banken sein, wenn ein Verbraucher seinen Dispositionskredit ständig ausreizt. Als Anhaltspunkt für die Einschätzung gilt, dass der Kunde über einen Zeitraum von sechs Monaten seinen Disporahmen kontinuierlich bis zu 75 Prozent in Anspruch nimmt. Im Rahmen der Beratung soll die Bank günstigere Alternativen aufzeigen, um den teuren Dispositionskredit abzulösen und die entstandenen Schulden zeitnah zurückzuführen. Die Höhe der Dispositionszinsen soll nach dem Paragraphen 675 a Abs. 4 des BGB in Zukunft gut sichtbar für den Kunden dargestellt werden. Das kann beispielsweise auf der Internetpräsenz der Bank geschehen, und auch ein Aushang in der Filiale kommt dafür in Frage.

Obwohl sich mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie also sowohl im Bereich der Baufinanzierungen als auch bei den Ratenkrediten für den Verbraucher zu seinem eigenen Schutz einige Änderungen ergeben, wurden maßgebliche Schutzmechanismen im Interesse des Kunden nicht genutzt. So hat der Gesetzgeber weder eine Obergrenze für Dispositions- und Überziehungszinsen festgesetzt noch eine Deckung der Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilienfinanzierungen gefordert. Gerade mit diesen Maßnahmen könnte man den Verbraucher noch stärker schützen als dies bisher der Fall ist. [4]

Welche Auswirkungen hat die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie?

Experten beobachten seit in den letzten sechs Monaten eine verstärkte Kreditvergabe an sogenannte Gutverdiener. Belegt wird dieser Trend beispielsweise in der aktuellen Umfrage zum Kreditgeschäft, dem Bank Lending Survey BLS. Er wird im Abstand von drei Monaten durchgeführt und zeigt anhand von Daten der Bundesbank, dass die Banken zunehmend mehr Sicherheiten verlangen, bevor sie ein Darlehen vergeben. Vor allem einkommensschwache Haushalte ohne nennenswertes Eigenkapital sind dadurch bei der Kreditvergabe benachteiligt, wie das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kürzlich berichtete. Selbst Mieter, die sehr am Kauf einer Immobilie interessiert wären, dürften in Zukunft an den hohen Hürden der Bonitätsprüfung scheitern. Auch die Verbraucherzentrale Bayern bestätigt eine ähnliche Beobachtung, nach der Darlehen für Immobilien zurzeit nur sehr vorsichtig vergeben werden.

Eine neue Auswertung des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) deutet auf die gleiche Tendenz hin. Die repräsentative Umfrage wird regelmäßig unter 12.000 privaten Haushalten in Deutschland durchgeführt. Gerade für ältere Haushalte mit einem recht hohen Anteil an Eigenkapital und für vermögende Investoren bietet sich der Kauf einer Immobilie an. In den unteren Einkommensschichten ist die Quote von Wohneigentum dagegen gesunken, sie beträgt in der letzten Umfrage nur noch gut 17 Prozent.

Die aktuellen Analysen scheinen zu beweisen, dass die Nachfrage nach Immobiliendarlehen bei den Banken zwar nicht zwingend einbricht, doch die Genehmigung wird offenbar zunehmend sehr restriktiv gehandhabt. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend weiter fortsetzt. Gerade im Interesse von einkommensschwachen Verbrauchern müsste es sein, bezahlbares Wohneigentum für die Altersvorsorge zu schaffen. Durch die neue EU-Richtlinie wird dieses Vorhaben allerdings eher erschwert als unterstützt. [5]

Welche Verbesserungen wären anzuraten?

Schon jetzt werden erste Forderungen aus der Politik laut, nach denen man die Wohnungskreditrichtlinie weiter verschärfen will. Offenbar denkt man über die Festlegung von Mindesteigenkapitalsummen nach, und auch eine Obergrenze für Finanzierungen könnte eingeführt werden. Der Verbraucherschutz hält diese Vorgaben aus verständlichen Gründen für falsch. Bereits heute beurteilt man den deutschen Finanzierungsmarkt als sehr konservativ und sicherheitsorientiert. Natürlich ist auch er von den Auswirkungen der letzten Finanzkrise geprägt, doch eine weitere Verschärfung der Vergaberichtlinien für Darlehen erscheint nach Meinung von Experten nicht erforderlich.

Vielmehr sollte das Interesse der Politik dahin gehen, den Erwerb von Wohneigentum für Geringverdiener und für junge Menschen zu ermöglichen. Dazu könnten beispielsweise Garantien von Banken oder staatliche Nachrangdarlehen als Ersatz für nicht vorhandenes Eigenkapital eingesetzt werden. Auch an einer angemessenen Tilgung wäre zu arbeiten, damit ein aufgenommenes Darlehen zeitnah zurückgezahlt werden kann. Beispielsweise könnte eine Belohnung für Darlehensnehmer ausgesetzt werden, die ihre Verbindlichkeiten besonders schnell tilgen. Die zeitnahe Rückführung einer Finanzierung könnte dadurch attraktiver gemacht werden. Letztlich sind mehrere Ansatzpunkte denkbar, um die Darlehensvergabe an einkommensschwache und junge Haushalte in Zukunft zu erleichtern und auch diese Verbraucher verstärkt in die eigenen vier Wände zu bringen. [6]

Quellen:

[3], [4]: Finanztip.de

[2]: drklein.de

[1], [5], [6]: focus.de

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